Den persönlichen Fixstern finden
Indem wir ein systemisches Leitbild für uns als Person erarbeiten, schaffen wir im weitesten Sinne Klarheit über unsere Bestimmung im Leben. Dabei ist es wichtig, eine systemisch saubere und zugleich konsistente Begleitung durch den Leitbildprozess sicherzustellen. Sämtliche Definitionen sollten ausgehend vom übergeordneten System erfolgen und sich immer weiter im Detail der darunterliegenden logischen Ebenen und der logischen Struktur des jeweiligen Systems wiederfinden. Konkret bedeutet das, dass zuerst klar sein muss, was das übergeordnete System ist (Familie, Gemeinde, Verein, Firma, Gesellschaft …). Anschließend müssen gewisse Aspekte der Reihe nach erarbeitet werden, wobei ein Aspekt immer aus dem vorangehenden Aspekt abgeleitet werden soll. Im Umkehrschluss sollte immer überprüfbar sein, ob der momentan behandelte Aspekt im Sinne des übergeordneten Aspekts ist.
Diese systemisch relevanten Aspekte sind: das übergeordnete System, der Mangel oder Bedarf im übergeordneten System, der Auftrag oder die Mission aus diesem Bedarf oder Mangel heraus, Sinn und Zweck der Erfüllung dieses Auftrags, die Vision des zu erreichenden Zustandes, wenn der Auftrag erfolgreich ausgeführt wird, sowie die daraus entstehende Identität im Sinne der Fragestellung „Wer bin ich, wenn ich das alles mache?“.
Referenzsystem über Bezugsperson
Referenzsystem über Systembezug
Referenzsystem über Bezug zum übergeordneten System
Des Weiteren benötigt ein systemisches Leitbild daran anschließend die Definition von Werten, anhand derer Entscheidungen getroffen und Handlungen gestaltet werden. Daraus abgeleitet werden Struktur und Kultur des Systems, also die Art und Weise des Zusammenwirkens der einzelnen Teile. Schließlich sollten noch die Kompetenzen definiert werden, sowohl die erforderlichen als auch die zur Verfügung stehenden. Erst dann, im letzten Schritt, kann die Definition von Ergebnissen in Form von Produkten, Projekten und Dienstleistungen erfolgen. Wurde die Entwicklung des Leitbildes kompetent begleitet und wurden bei der Definition der einzelnen Aspekte keine faulen Kompromisse eingegangen, dann werden die Ergebnisse einen ganz klar erkennbaren Bezug zum Bedarf des übergeordneten Systems aufweisen.
Ist dieser Prozess erfolgreich, dann erkennen wir das im ersten Moment an einer Veränderung der Klient:innen – plötzlich strahlt Klarheit und Tatkraft aus ihnen. Diese Klarheit ermöglicht fundierte Entscheidungen und schenkt eine nahezu unerschütterliche Sicherheit. Klient:innen erleben sehr häufig während und nach einem Leitbildprozess eine innere Beruhigung und zugleich einen unbändigen Antrieb. Da ist einerseits Beruhigung, also in einem starken, gefestigten Vertrauen zur Ruhe zu kommen. Gleichzeitig entsteht Antrieb, also ein Schöpfen von Energie und Motivation aus der Gewissheit, einen sinnvollen Beitrag zu einem größeren, übergeordneten Ganzen zu leisten. Dies kann verwirrend wirken, weil wir die Kombination solcher Zustände oftmals nicht mehr gewohnt sind.
Neue, unerschöpfliche Quellen
Mit einem systemischen Leitbild sind die Klient:innen also in der Lage, Entscheidungen selbständig und zielgerichtet zu treffen. Es entsteht eine neue Ökologie der Entscheidungsfindung. Handlungen verlieren den Anschein von Willkür und Zufall. Motivation muss nicht mehr extrinsisch „eingeimpft“ werden, denn aus dem Bewusstsein betreffend Sinn und Zweck der eigenen Existenz und des eigenen Beitrags sprudelt intrinsische Motivation wie frisches Wasser aus einer Quelle im Gebirge. Und was da so hervorsprudelt ist in gleichem Maße gesund und rein wie Wasser.
Klient:innen wissen meist selbst nicht, in welchem Vakuum sie sich befinden, wie groß die eigene Orientierungslosigkeit in Wahrheit ist. Als Berater:innen haben wir jedoch ausgezeichnete Möglichkeiten, eine Veränderung zu unterstützen und unsere Klient:innen dabei zu begleiten, deren eigenes Referenzsystem zu definieren. Voraussetzung hierfür sind nach meiner Auffassung die nötige Methodenkompetenz und eine wohlwollende Haltung. Beides wollen wir sicherlich gemäß unserem Berufsethos erwerben, kultivieren und hochhalten. Am besten geht das natürlich, wenn wir selbst ein systemisches Leitbild für uns als Berater:innen erarbeiten.
Wie viel mehr Qualität und Bedeutung gewinnen unsere Handlungen als Berater:innen, wenn wir unerschütterlich von Sinn und Zweck unseres Beitrages überzeugt sind und uns unserer Identität bewusstwerden? Erleben wir uns selbst als Brückenbauer, Möglichmacher, Glücksbringer, Verbundenheitsingenieure, Sinnfindungshelfer? Wer wollen wir sein und was müssen wir dafür bereit sein, zu tun? Diese wenigen Fragen sollen verdeutlichen, wohin ein systemisches Leitbild den Weg weisen kann. Und ich möchte damit ermutigen: erschließen wir neue, unerschöpfliche Quellen!