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Familienstellen nach Bert Hellinger spaltet die Geister – Für die einen ist er der Heilsbringer, für die anderen der Manipulator und Patriarch. Doch was hat es mit dieser berühmt-berüchtigten Person auf sich? Was ist an der Methode dran? Ich möchte an dieser Stelle zur Klärung beitragen und auf einige populäre Aspekte eingehen.
Wer ist Bert Hellinger?
Bert Hellinger (geb. Anton Hellinger – 1925-2019) war ein deutscher Buchautor, Psychoanalytiker und bezeichnete sich selbst als Familientherapeut.
Ursprünglich zum Priester geweiht, leitete er lange Zeit eine Missionsschule in Südafrika. Als Ordensmitglied trug er den Namen Suitbert, den er auch später – abgekürzt als Bert – beibehielt.
Nach seiner Rückkehr absolvierte er eine psychoanalytische Ausbildung und einige Fortbildungen. Die Psychoanalytische Vereinigung verweigerte ihm die Anerkennung seiner Ausbildung (1972).
Erst 1982 wurde ihm seine Ausbildung durch die Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse anerkannt.
Er orientierte sich im Lauf der Zeit unter anderem an Arthur Janov, Frank Farrelly, Jeff Zeig, Stephen Lanton, Stephen Gilligan, Leslie B. Kadis, Ruth McClendon, Salvador Minuchin, Jay Haley, Iván Böszörményi-Nagy, Eric Berne und Milton H. Erickson (Quelle: de.wikipedia.org)
Woher kommt der schlechte Ruf?
Die Methode des Familienaufstellens nach Bert Hellinger war in den frühen 2000er Jahren sehr bekannt. Sie wurde auch immer wieder als Familienrekonstruktion, später auch als geistiges Familienstellen bezeichnet. Viele Menschen versprachen sich davon Hilfe bei seelischen Problemen. Doch es gab auch viel Kritik – von Fachleuten, Therapeuten und Medien.
Was ist eigentlich eine Familienaufstellung?
Bei einer Familienaufstellung gilt die Annahme, dass ein Problem in der Gegenwart unter anderem mit der Familie oder Vorfahren zu tun hat. Der Klient (also die Person mit dem Problem) schildert kurz seine Lage. Dann sucht der Aufstellungsleiter – oft ein Therapeut – nach „wichtigen“ Ereignissen in der Familiengeschichte. Dazu gehören beispielsweise Trennungen, Todesfälle, Abtreibungen oder Kriege.
Andere Teilnehmer:innen übernehmen in der Aufstellung symbolisch Rollen von Familienmitgliedern. Sie werden so im Raum gestellt, wie die Klientin es fühlt. Der Aufstellungsleiter beobachtet das Geschehen und zieht daraus Rückschlüsse. Ein Ziel ist es, „verlorene“ oder „ausgeschlossene“ Mitglieder symbolisch wieder in die Familie zu integrieren, um Heilung zu ermöglichen.
Daneben gibt es noch weitere Ziele, die sich allesamt auf systemische Grundprinzipien und Dynamiken in Familiensystemen beziehen. Diese Prinzipien wurden oftmals in der Vergangenheit (in der Familiengschichte) verletzt, wodurch es bei Klient:innen zu Symptomen in der Gegenwart kommt. Diese Symptome lassen sich oft nur schwer den systemischen Ursachen zuordnen und genau hier kommt die Familienaufstellung als Methode ins Spiel.
Was ist aber das Problem aus Sicht der Kritiker?
Kritiker nehmen an, diese Methode könnte Menschen mehr schaden als helfen. Es gibt hierfür mehrere Gründe:
- Keine richtige Diagnose: Bei einer Aufstellung wird oft nicht genau nach der Krankengeschichte gefragt.
- Emotionale Überforderung: Die Menschen erleben starke Gefühle – doch oft gibt es danach keine Hilfe, um das Erlebte zu verarbeiten.
- Keine wissenschaftliche Grundlage: Die Wirkung war lange nicht bewiesen.
- Gefahr von Fehlinterpretationen: Was der Aufstellungsleiter deutet, kann willkürlich sein und nicht der Wahrheit entsprechen.
- Keine Ausbildungspflicht: Viele Aufstellungsleiter nutzen Hellingers Namen, ohne bei ihm gelernt zu haben oder ausreichend geschult zu sein.
Diese Befürchtungen sind nicht ganz unbegründet. Zugleich ist aber fairerweise anzumerken: die grundlegende Problematik, dass schlecht ausgebildete bzw. unausgebildete Menschen eine Methode unseriös oder inkorrekt anwenden, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Familienaufstellung. Sich in der Beurteilung der Methode allein auf diese Aspekte zu stützen ist weder fair, noch hilfreich.
Wichtig
Seit April 2025 ist die Aufstellungsarbeit nach gewissen Kriterien wisscenschaftlich anerkannt. Das ÖfS Österreichsche forum Systemaufstellungen hat eine Zertifizierung nach Level 6 des Nationalen Qualifizieriungsrahmens erreicht. Das entspricht dem akademischen Grad BPr (Bachelor Professional).
Was sagen Fachleute?
Die Fachwelt ist zur Methode geteilter Meinung. Einige Experten sehen die Methode kritisch, andere nutzen sie vorsichtig als Ergänzung. Seriöse Anwender sind sich einig: Familienaufstellungen können helfen – aber nur in erfahrenen Händen und nicht als einziges Mittel.
Andere Fachleute sehen große Risiken. Sie stören sich an Hellingers Art, mit Patienten umzugehen: zu bestimmend, zu wenig auf Augenhöhe. Die Systemische Gesellschaft kritisierte 2004 viele Punkte:
- Kein echtes Gespräch mit dem Patienten über Ziele und Wünsche.
- Viele Aussagen wirken wie feste Regeln, die nicht hinterfragt werden dürfen.
- Die Methode kann beschämend oder sogar demütigend wirken.
- Es fehlt oft eine gleichberechtigte Beziehung zwischen Therapeut und Klient.
Kritik an der Person Hellinger
Auch er selbst selbst steht in der Kritik. Einige werfen ihm vor, dass seine Aussagen in Büchern und Seminaren an autoritäre Weltbilder erinnern. Besonders umstritten ist ein Zitat, in dem er über Adolf Hitler spricht – viele finden es verharmlosend. Einige Fachleute sehen darin sogar einen Bezug zu faschistischen Denkweisen.
Gleichzeitig sagen andere: er sei kein Nazi, aber seine Ausdrucksweise sei oft unklar und missverständlich. Das führe zu vielen Missverständnissen – vor allem, wenn seine Aussagen nicht kritisch geprüft werden. Oder auch, wenn seine Aussagen aus dem Kontext gerissen und in weiterer Folge wörtlich genommen werden.
Rückzug und Distanzierung
Mit der wachsenden Kritik distanzierten sich viele Therapeuten, Vereine und auch ehemalige Weggefährten von Hellinger. Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie (DGSF) erklärte 2003, dass Hellingers Methode gefährlich und nicht ethisch vertretbar sei.
Einige halten ihm aber auch zugute, dass er die Methode der Familienaufstellung bekannt gemacht hat. Seine Idee, dass in Familien unausgesprochene Verbindungen wirken können, war für viele neu und hilfreich. Doch die Umsetzung und seine persönliche Haltung haben viel Vertrauen verspielt.
Fazit
Die Familienaufstellung nach Hellinger ist ein stark polarisierendes Thema. Einige sehen darin eine hilfreiche Methode, um Familienkonflikte sichtbar zu machen. Andere warnen: Ohne klare Regeln, wissenschaftliche Basis und professionelle Begleitung kann sie gefährlich sein.
Die Methode ist so umstritten wie kaum eine andere. Zugleich bin ich überzeugt, dass Hellinger für die moderne systemische Aufstellungsarbeit Pionierarbeit geleistet hat – und dafür allein gebührt ihm Anerkennung. Die systemischen Prinzipien der Zugehörigkeit, der Achtsamkeit und der Ordnung untermauern diese Sichtweise.
5 schlaue Tipps für dich
Wer überlegt, an einer Familienaufstellung teilzunehmen, sollte sich gut informieren. Wichtig ist, dass die Methode Teil einer umfassenden und verantwortungsvollen Begleitung ist – mit genügend Zeit für Vorbereitung und Nachgespräch. Auch das Erstellen eines Genogramms sollte unbedingt Teil des Prozesses sein. Aufstellungsleiter:innen müssen aus meiner Sicht immer auf Augenhöhe arbeiten und nicht vorgen, alle Antworten zu kennen.
- Zertifizierungen und Fortbildungen – Ist die Aufstellungsleiterin gut ausgebildet und hält sich an Standards?
- Vor- und Nachgespräch – Ist die Aufstellung in einen Gesamtprozess, vielleicht mit einem kostenlosen Erstgespräch, eingebettet?
- Genogramm – Geht die Aufstellungsleiterin strukturiert und nachvollziehbar oder rein nach Bauchgefühl vor?
- Augenhöhe – Kannst du dich auf Augenhöhe zu deinem Anliegen einbringen oder herrscht ein Machtgefälle?
- Anliegenfokus – Orientiert sich der Aufstellungsleiter klar an deinem Anliegen oder wird drauf los spekuliert?